Sonntag, 26. August 2012

See Überquerungen

Morgens um halb sieben treffen sich vier Frauen am Hafen Riesbach.
Sie lassen ihre Fahrräder stehen, ihre Kleider und schwimmen los.

Spiegelglattes Wasser ohne Spur vom nächtlichen Sturm. Eine breite Stille weitet den Blick für die Stadt und diesen Tag, der noch nicht voll ist. Er scheint ewig vor ihnen zu liegen - verankert in diesem Augenblick der See - Überquerung. Die Berge auf der einen Seite, die Türme und Brücken auf der anderen sind Festungen, Sicherheiten, tägliche Ruhe. Dagegen die rhythmischen Schwimm Bewegungen. Ihr Geräusch im Wasser bedeutet, dass dieser Tag nicht still bleiben wird. Lautlos schnell gleiten die Ruderboote vorbei. Im Takt ziehen die Rücken und Arme der Ruderer das Erwachen dieser Stadt hinaus. Eine beschwörende Bewegung. Sonst kein Bootsverkehr, nur ein Fischer. Schwäne leuchten überall auf. Sie sind heller als das Wasser. Majestätisch sanft gleiten sie darüber. Stolze Kreaturen die sich selbst genügen. Alles andere scheinen sie überflüssig zu finden. Sie beschenken dieses Stück Welt mit ihrer Schönheit. Schon am frühen Morgen.
Das Wasser ist warm, schwimmen gesund. Seit einer Woche überquert die Schwimmerin den Zürichsee. Ihre Augen suchen St. Peter. Sein Verschwinden hinter dem Fraumünster bedeutet, dass sie noch umdrehen kann. Aber sie lässt sich gerne täuschen von der scheinbaren Nähe des Seebades Enge. Seine Flosse wirken schnell erreichbar. Die Hoffnung bald dort zu sein treibt sie weiter an und lässt den Schreck, erst die Hälfte der ganzen Strecke zurückgelegt zu haben - die Fahne über dem Schiffsteg am Bürkliplatz könnte Mitte sein zwischen Utoquai und Enge - überwinden.

Ca. um sieben Uhr erreichen sie die andere Seeseite. Kurze Pause auf dem Floss. Der Blick zum Startufer vereint Hin - und Rückweg. Ein Sprung ins Wasser erinnert an die eigene Frische vor über dreißig Jahren. Der See hat sie bewahrt. Aber die Mit - Schwimmerinnen sind schneller geworden als sie und die Landschaft rundherum nimmt sie erst heute in sich auf. Fühlt sich als Teil von ihr mit ihr verbunden. Früher war diese einfach da und die Welt fing erst hinter Zürich an. Die Versprechungen einer noch ungewissen Zukunft erfüllten sich sicher nicht auf dem Zürichsee. Den sie jetzt jeden Morgen aufsucht, als eine andere Welt.
Auf dem Rückweg schwimmt sie gegen das Licht. Es blendet sie ein wenig. Sie hat sich daran gewöhnt. Ein Schwanenschwarm verlässt das Wasser - Schneesturm im Sommer. Das Bild entsteht direkt vor ihren Augen. Der Maler bleibt unsichtbar. Weiter, weiter, bis ans Ufer wo schon Frühschwimmer auf und ab kraulen.

Vier Frauen verlassen ihr Naturbad. Steigen die Steine zur Wiese empor, zufrieden kichernd. Sie fühlen sich alle bereit ihren Tag anzugehen - die Fahrräder sind das Einzige was noch da steht. Der Rest verschwunden. Nass stehen die Frauen ohne Kleider da. Die Schlüssel weg und ihre Fahrräder abgeschlossen. Dieser Tag wird ein anderer. Ariela Sarbacher

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