Samstag, 12. Oktober 2013

Wie nah ist uns das Fremde und wie fremd ist das Nahe?


SARBACHER ERZÄHLT 
AMERIKANISCHE LITERATUR DES 20. JAHRHUNDERTS   
Dienstag, 12. November 2013, 20.30 h Paul Bowles
Dienstag, 19. November 2013, 20.30 h John Cheever
Dienstag, 26. November 2013, 20.30 h Raymond Carver
Dienstag,   3. Dezember 2013, 20.30 h Andre Dubus III
Dienstag, 17. Dezember 2013, 20.30 h Alice Munro 
THEATER.WINKELWIESE  

Vorverkauf: www.winkelwiese.ch oder 044 261 21 79

Gedanken zu drei Kurzgeschichten von Raymond Carver:

Unbekannt unbequem
Die Zukunft wartet nicht draussen, sie liegt in uns.

Zum Beispiel in dem Moment, wenn eine junge Frau im Beisein ihres Freundes mit einem älteren, betrunkenen Mann tanzt, dessen Frau abwesend ist. Sie tanzen zwischen seinem aufgelösten Haushalt, auf dem Vorplatz seines Hauses. Ihr Abenteuergeist verbindet sich mit seinem, sie ist glücklich - später wird sie anders darüber reden. Sie wird mit ihrem Freund in ihrem eigenen Haushalt sitzen - teils mit den Möblen dieses älteren Mannes bestückt - und keine Worte finden, für den Augenblick, in dem kurz eine andere Zukunft aufkeimen wollte. Ariela Sarbacher 
(Why Don't You Dance? Raymond Carver, Collected Stories)

Mit Gas kochen
Ein Mann fühlt sich hilflos in Gegenwart eines Blinden, als sie gemeinsam vor dem Fernseher sitzen.
Darin wird eine Kathedrale gezeigt und er scheitert an ihrer Beschreibung. Der Blinde fordert ihn auf, sie zu zeichnen und legt seine Hand auf die des Sehenden, um sich von dessen Bewegungen führen zu lassen. Der Zeichner kann nicht mehr aufhören, bis er irgendwann die Augen schliesst. Er weiss wo er sich befindet: In seinem Haus - ohne das Gefühl zu haben, irgendwo drin zu sein - er hat die Kathedrale gefunden. Ariela Sarbacher
(Cathedral, Raymond Carver, Collected Stories)

Der Weckruf
Eine Frau hört nachts das Geräusch des Gartentors und steht beunruhigt auf.
Das Mondlicht erhellt die kleinsten Dinge im Garten, sogar die Wäscheklammern auf der gespannten Leine.
Ihr Mann hat vermutlich zuviel getrunken und lässt sich nicht wecken. Sie verlässt das Haus.
Zwei Zäune trennen ihr Grundstück von dem ihres Nachbars Sam. Dazwischen liegt ein Streit, bei dem auch Alkohol eine Rolle zwischen den beiden Männern gespielt hat. Die Frau tritt durch das offene Gartentor und geht zu Sam hinüber, der in der Dunkelheit Nacktschnecken vergiftet. Sam zeigt ihr, wie er seinen Garten pflegt und erzählt, dass er aufhören musste zu trinken. Er drückt sein Bedauern über sein Zerwürfnis mit ihrem Mann aus. Sie verspricht, ihm seine Grüsse auszurichten und kehrt in ihr Bett zurück.
Ohne auf die Zeit zu achten, prüft sie, ob der Alarmknopf des Weckers herausgezogen ist. Das Atemgeräusch, das aus der Brust ihres Mannes kommt, lässt sie an die sterbenden Nacktschnecken denken. Sie schliesst die Augen. Das Gartentor ist offen geblieben.
Ariela Sarbacher 
(I Could See the Smallest Things, Raymond Carver, Collected Stories)

Raymond Carver's Figuren sind keine Intellektuelle. Sie sprechen nicht über ihre Gefühle.
Nur kurz öffnen sie sich und kehren danach oft still zu ihren Gewohnheiten zurück. Es sind Menschen, die sich verschliessen, bevor sie aufbrechen könnten, auch wenn das Gewohnte nicht zu ihnen passt. Den Schrecken kennen sie wenigstens und dieser lässt sich mit Alkohol und fernsehen betäuben. Ariela Sarbacher 

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